Enum & Valerie reviewed Star Girl Space Boy by Mirjam Kay Mashkour
Lebenslauf zweier Arschlöcher
5 stars
»Star Girl Space Boy« spielt in einer waschechten Dystopie. Was diese Welt so ganz konkret ausmacht, weiß man nicht so genau, ändert sich über die Jahrzehnte, ist eigentlich egal - Hauptsache, die menschenfeindliche Gesamtscheiße wird immer schlimmer. Der im Klappentext erwähnte »technologische Fortschritt« ist zunächst uninspiriert, gibt es doch fast alles schon und ist nur ein bisschen aufgebrezelt. Tatsächliche Neuerungen? Keine. Aber, warte mal, hat genau das nicht eine Kehrseite? Gerade dadurch, dass für diese Entwicklungen keine bahnbrechenden Neuerungen nötig waren, wird es nur noch besser anwendbar auf die Gegenwart.
Aber was »Star Girl Space Boy« ausmacht, sind zwei Arschlöcher, die sich für den Mittelpunkt der ganzen Welt halten, und entsprechend auch unbedingt Hauptfiguren des Buches sein mussten. Natürlich. Hätte wer anders die Rolle bekommen, hätten sie die beseitigt, um sich selbst hineinzudrängeln. Zwischendurch sind sie einem sogar fast sympathisch. Mir zumindest. Damals in Transmetropolita. Gute alte Zeiten. Nein, da waren sie auch schon Arschlöcher. Aber dann hamas mit dem Ehrgeiz doch noch etwas hart übertrieben, liebe Jean? Scheiß doch auf alle anderen, sollen sie doch verrecken? Ein bisschen arg enger Blick auf das eine Ziel, lieber Tom? Ja, renn nur wieder zu Mami.
Die Kapitel sind nicht ganz in chronologischer Reihenfolge, und das verwirrt zunächst. Die Jean aus dem einen Kapitel ist nicht unbedingt die aus dem nächsten, das kann ein ganz anderes Jahrzehnt sein. Es fügt sich aber Stück für Stück alles zusammen. Sind die beiden zwischendurch nur ein bisschen ignorant, vervollständigt sich im Laufe der Kapitel der Lebenslauf von Massenmördern, die - sich nie selbst als solche verstehen, doch - immer wieder über Leichen gehen, und die Dystopie selbst erschaffen.
Ironischerweise würde sich auch keine der Hauptfiguren selbst als politisch bezeichnen. Jean will doch einfach nur Kunst machen, Tom einfach nur Wissenschaft. Was ist daran schon politisch, sich ein Medienmonopol zusammenzukaufen? Was ist daran schon politisch, eine Überbevölkerung herbeizureden (Achtung, rechter Talking Point), wegen der man einen zweiten Planeten besiedeln muss? Was ist politisch daran, sich durch die vor Panik fliehende Menschenmenge den Weg freizuschießen, nur um pünktlich zum Konzert zu kommen? Kritiker*innen durch internationale Geheimpolizeien beseitigen zu lassen? Hat hier jemand Faschismus gesagt???
